Am 23.05.13 wurde in Berlin der neue Mietspiegel veröffentlicht. In der Folge werden viele Vermieter bemüht sein, die vertraglich vereinbarte Miete durch einseitige Mieterhöhung nach § 558 BGB auf die ortsübliche Miete anzupassen.
Wenige Tage zuvor hat der Berliner Senat von der Ermächtigungsgrundlage des § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB Gebrauch gemacht und durch eine "Kappungsgrenzen-Verordnung" vom 07.05.13 die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen nach § 558 BGB von 20 % auf 15 % reduziert.
Dies bedeutet, dass während der Geltung der Kappungsgrenzen-Verordnung vom 07.05.13, mithin vom 19.05.13 bis zum Ablauf des 10.05.18, innerhalb von drei Jahren nur Mieterhöhungen von 15 % berechnet auf die Nettokaltmiete (oder Bruttokaltmiete) zulässig sind.
Voraussetzung für die Reduzierung der Kappungsgrenze war nach § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB, dass innerhalb der Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen gefährdet ist.
Da der Senat von Berlin von der Ermächtigungsgrundlage des § 558 BGB Gebrauch gemacht hat, geht er davon aus, dass in der gesamten Gemeinde Berlin keine ausreichende Versorgung von Wohnraum zu angemessenen Bedingungen sichergestellt werden kann. Damit liegen erstmals seit dem Jahr 2000 wieder die Voraussetzungen für eine Mietpreisüberhöhung vor.
Folgt man dem, so ist auch bei der Neuvermietung die Beschränkung der Miethöhe gemäß § 5 WiStrG zu berücksichtigen. Dieser bestimmt:
"§ 5 Mietpreisüberhöhung
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen unangemessen hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.
(2) Unangemessen hoch sind Entgelte, die infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die üblichen Entgelte um mehr als 20 vom Hundert übersteigen, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten abgesehen, geändert worden sind. Nicht unangemessen hoch sind Entgelte, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters stehen.
(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden."
Die Vereinbarung einer Miete ist danach dann teilweise unwirksam, wenn die vertraglich vereinbarte Miete die ortsübliche Miete um mehr als 20 % übersteigt und die Vereinbarung über die Miete "infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen" zu Stande kommt (Mietpreisüberhöhung).
"Ob ein geringes Angebot an vergleichbaren Räumen besteht, ist jeweils für die in Betracht kommende Wohnungsgruppe ("Teilmarkt") festzustellen. Für eine Wohnung mit weit überdurchschnittlicher Qualität stellt deshalb der Umstand, dass sie in einem Ballungsgebiet liegt und für die betreffende Gemeinde ein Zweckentfremdungsverbot besteht, kein hinreichend aussagekräftiges Anzeichen für das Vorliegen einer Mangelsituation dar."
Dies entschied der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 25.01.06, VIII ZR 56/04 zur Mietpreisüberhöhung.
"Bei der Beantwortung der Frage, ob der Vermieter ein geringes Angebot an vergleichbaren Räumen ausgenutzt hat, ist auf das gesamte Gebiet der Gemeinde und nicht lediglich auf den Stadtteil abzustellen, in dem sich die Mietwohnung befindet. Das Tatbestandsmerkmal des "geringen Angebots" ist deshalb nicht erfüllt, wenn der Wohnungsmarkt für vergleichbare Wohnungen nur in dem betreffenden Stadtteil angespannt, im übrigen Stadtgebiet aber entspannt ist."
Insoweit wird verwiesen auf die Entscheidung des BGH vom 13.04.05, VIII ZR 44/04 zur Mietpreisüberhöhung.
"Das Tatbestandsmerkmal der "Ausnutzung eines geringen Angebots" (§ 5 Abs. 2 WiStG) ist nur erfüllt, wenn die Mangellage auf dem Wohnungsmarkt für die Vereinbarung der Miete im Einzelfall ursächlich war. Dazu hat der Mieter darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, welche Bemühungen bei der Wohnungssuche er bisher unternommen hat, weshalb diese erfolglos geblieben sind und daß er mangels einer Ausweichmöglichkeit nunmehr auf den Abschluß des für ihn ungünstigen Mietvertrages angewiesen war."
(BGH Urteil vom 28.01.2004, VIII ZR 190/03 zur Mietpreisüberhöhung)
In der Entscheidung heißt es:
" b) Für eine Beweiserleichterung oder sogar eine Beweislastumkehr besteht im übrigen auch im Hinblick auf den Schutzzweck des § 5 WiStG kein Bedürfnis. Dem Mieter ist es ohne weiteres möglich und zumutbar, darzulegen, ob in seinem konkreten Fall der Vermieter die Lage auf dem Wohnungsmarkt zur Vereinbarung einer unangemessen hohen Miete ausgenutzt hat. Dazu braucht er lediglich vorzutragen, welche Bemühungen bei der Wohnungssuche er bisher unternommen hat, weshalb diese erfolglos geblieben sind und daß er mangels einer Ausweichmöglichkeit nunmehr auf den Abschluß des für ihn ungünstigen Mietvertrages angewiesen war. Es gibt keinen rechtfertigenden Grund, ihn - abweichend von den allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast - von der Obliegenheit zum Vortrag dieser für ihn günstigen Tatsachen zu befreien mit der Folge, daß der Vermieter darzutun hätte, daß die Höhe der vereinbarten Miete nicht auf der Mangellage beruhte. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Existenz eines Zweckentfremdungsverbots oder einer ähnlichen Verordnung nicht ausreichen, um ohne weitere tatsächliche Grundlagen das Merkmal der unzulässigen Ausnutzung einer Wohnungsmangellage zu bejahen.
c) Nach alledem bleibt es auch bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden grundsätzlich dabei, daß der Mieter diejenigen Tatsachen darzutun und gegebenenfalls zu beweisen hat, aus denen sich die Ausnutzung der Mangelsituation im Sinne des § 5 WiStG in seinem konkreten Fall ergibt. Dazu fehlt es bislang an jeglichem Vortrag des Klägers und entsprechenden Feststellungen des Tatrichters. Rechtsfehlerhaft hat sich das Berufungsgericht mit dem Bestehen des Zweckentfremdungsverbots und der Verordnung über die Gefährdung der Wohnraumversorgung in Berlin als Indiz begnügt und angenommen, hieraus und aus den Regeln der Preisbildung in der freien Marktwirtschaft ergebe sich, daß der Beklagte das geringe Angebot bei der Mietpreisvereinbarung auch ausgenutzt habe; Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger aus besonderen Gründen ohnehin nur an dieser einen Wohnung interessiert gewesen sei und die Mietzinsbildung deshalb unabhängig von den Marktverhältnissen abgelaufen sei, lägen nicht vor. Das ist, wie ausgeführt, nicht ausreichend.
Fehlt es mithin bislang an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe bei Abschluß des Mietvertrages gegen das Verbot des § 5 WiStG verstoßen, entfällt damit zugleich der gemäß § 134 BGB zur Teilnichtigkeit der Mietpreisvereinbarung führende Gesetzesverstoß. Damit ist der Tatbestand der ungerechtfertigten Bereicherung des Beklagten hinsichtlich des Teils der Miete, der die ortsübliche Miete um mehr als 20 % übersteigt, nicht erfüllt. Mit der vom Landgericht gegebenen Begründung läßt sich daher das angefochtene Urteil nicht aufrechterhalten."
Dies bedeutet auch zukünftig, dass allein die Kappungsgrenzen-Verordnung als Indiz für eine Wohnraummangellage in Berlin nicht ausreichen wird, einen Verstoß gegen § 5 WiStrG zu begründen. Vielmehr muss der Mieter konkret im Prozess darlegen, dass und in welchem Umfang er sich um preiswerteren Wohnraum bemüht und dass preiswerterer Wohnraum auch in anderen Bezirken wie Marzahn und Hellersdorf nicht zu finden war. Ansonsten scheiden Ansprüche des Mieters auf Rückforderung der Miete wegen Mietpreisüberhöhung aus.