Minderung auch bei Baugeschehen auf dem Nachbargrundstück!
Der Mieter wohnt seit 1998 in der Charlottenburger City an einer verkehrsreichen Straße und in unmittel-barer Nachbarschaft zu einem in den 50er Jahren errichteten Wohn- und Bürogebäude, dessen Eigentümer ab Herbst 2004 folgende Bauarbeiten an diesem Haus ausführen ließ: Die Fassade wurde eingerüstet und neu ge-
staltet. Das Haus erhielt ein weiteres Stockwerk. Rückseitig wurde ein Personenaufzug gebaut.
Die Wohnungen im Hause wurden unter neuem Grund-riss gänzlich umgebaut und der Hof wurde gärtnerisch gestaltet. Diese Arbeiten hielten bis Ende Mai 2005 an.
Der Mieter fühlte sich insbesondere durch den Lärm, aber auch durch die Staubentwicklung in dem Gebrauch seiner Wohnung stark beeinträchtigt. Hierüber führte er genau Protokoll. Seinem Vermieter schrieb er, ihm stünde ein Minderungsrecht in Höhe von 20 % zu. Gleichwohl minderte er jeden Monat die Miete lediglich um
10 % und zahlte unter Vorbehalt.
Der Vermieter klagte auf Zahlung der einbehaltenen Minderungsbeträge und hielt dem Mieter entgegen, er sei für die Arbeiten auf dem Nachbargrundstück nicht verantwortlich. Im Übrigen wohne der Mieter ohnehin an einer lauten Verkehrsstraße, so dass der Lärm vom Nachbargrundstück nicht ins Gewicht fiele und in einer Großstadt wie Berlin müsse ein Mieter auch mit solchem Baugeschehen in unmittelbarer Nachbarschaft jederzeit rechnen. Der Mieter wiederum klagte auf Rückzahlung der weiteren 10 %., legte dem Gericht das Lärmprotokoll vor und bot Freunde und Bekannte als Zeugen für die von ihm behaupteten Beeinträchtigungen an, die insbeson-dere die hofseitigen Räume betroffen hätten.
Das Amtsgericht Charlottenburg traf eine salomonische Entscheidung: Es wies sowohl die Klage des Vermieters auf Nachzahlung der einbehaltenen Minderungsbeträge wie auch die Wi-derklage des Mieters auf Rückerstattung überzahlter Mietbeträge ab.
Das Gericht anerkannte dem Mieter eine 10 %ige Mietminderung und führ-te aus, dass in einer Großstadt wie Berlin ein Mieter mit bestimmten Bauarbeiten rechnen müsse. Bei Fassadenarbeiten handele es sich eben um regelmäßig anfallende Gebäudearbeiten mit denen vernünftigerweise ein Mieter immer rechnen müsse. Dem-gegenüber habe der Mieter auch in einer Großstadt wie Berlin im vorlie-genden Falle nicht mit der Dachaufstockung und Sanierung der Wohnungen und den damit einhergehenden Beeinträchtigungen rechnen müssen.
Deshalb berechtigten die daraus re-sultierenden Beeinträchtigungen auch zur Minderung.
In diesem Sinne hatte das Kammer-gericht schon im Jahre 2002 ent-schieden, dass ein Mieter, der sehenden Auges in die Nachbarschaft baufälliger bzw. heruntergekommener Gebäude ziehe, immer damit zu rech-nen habe, dass dort alsbald eine grö-ßere Baumaßnahme seine Ruhe beeinträchtigen werde mit der Folge, dass er mit einem Minderungsrecht dann ausgeschlossen sei.
Die weitergehende Forderung des Mieters wies das Gericht jedoch mit der Begründung zurück, dass dies gegen Treu und Glauben verstoße
(§ 242 BGB). Wer eine Minderung von 20 % ankündige, dann, ohne jede weitere Erläuterung an den Vermieter, lediglich 10 % einbehalte, könne sich nicht ein Jahr später darauf berufen, dass eigentlich doch eine Minderung von 20 % angemessen gewesen sei.
Das Urteil ist rechtskräftig (AG Charlottenburg, 210 C 304/05).
Der Autor Ferdinand Klasen ist Rechtsanwalt der Kanzlei Klasen und Hennings in Berlin